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Wenn unsere Kinder in die Schule kommen, kennen sie oft schon einige, mehrere oder manchmal sogar schon alle Buchstaben. Viele kennen den Schriftzug ihres Namens und können das Wortbild ganzheitlich „schreiben“, manche können auch schon weitere Wörter wie „Mama“, „Papa“, „Oma“ und den Namen eines Geschwisterkindes „schreiben“. Andere Kinder zeigen von sich aus kaum oder noch gar kein Interesse am Nachmalen von Buchstaben oder kleinen ihnen wichtigen Wörtern.
In unserer Schule lernen die Kinder in den ersten Schulwochen mit Hilfe des Anlautkreises alle Buchstaben und ihre dazugehörigen Anlaute kennen. Hierzu sind vielfältige, täglich wiederkehrende Übungen notwendig. Dieser Anlautkreis entwickelt sich für viele Kinder rasch zu einem wichtigen Instrument, mit dessen Hilfe das einzelne Kind, gemäß seines eigenen Lerntempos, eigene Wörter zunächst lautgetreu verschriftet. Dies gelingt – je nach Vorerfahrungen – dem einen Kind früher, dem anderen Kind später.
Früher vermutete man, dass Kinder Wortbilder abspeichern und nach häufigem Üben dauerhaft richtig schreiben können. Jede erfahrene Grundschullehrkraft weiß jedoch, dass ein Kind vielleicht nach vielfachem Üben für ein Diktat (auch mit Muttis Hilfe), in eben diesem Diktat zwar schwierige Wörter richtig schreiben kann. Diese werden jedoch in den nächsten eigenen Texten des Kindes oftmals wieder falsch geschrieben und zwar jedes Mal „anders falsch“.
Wir wissen heute aus der internationalen Schriftspracherwerbsforschung, dass Kinder aktive Konstrukteure ihrer Schreibweisen sind. Sie konstruieren Wörter immer wieder neu und erproben hierbei Schreibweisen, die ihnen sinnvoll erscheinen. Ihre „Fehler“ sind dabei für das weitere Rechtschreiblernen notwendig. Falschschreibungen und Richtigschreibungen sowie der Zeitpunkt, zudem sie stattfinden, sagen etwas über den Stand der Rechtschreibentwicklung des einzelnen Kindes aus. Sie geben der Lehrerin/dem Lehrer genaue Hinweise über den Entwicklungsstand des Kindes beim Erwerb der Schriftsprache.
Kinder entwickeln beim Rechtschreiblernen unterschiedliche Strategien. Unter Rechtschreibstrategien versteht man dabei Überlegungen bzw. innere Denkhandlungen der Kinder, denen sie beim Schreiben folgen. Nach und nach, später sogar gemeinsam und ineinander greifend wenden sie die folgenden Strategien an:
Das Kind schreibt zu Anfang vorwiegend lautorientiert. Dies geschieht in verschiedenen Entwicklungsstufen:
Schreibt ein Kind das Wort „ Mäuse“ wie folgt (1-4), so bedeutet dies (Erklärung):
Beispiele für fortgeschrittene lautorientierte Verschriftungen:
Fata (Vater) , Muta (Mutter), Flige (Fliege), Hunt (Hund), Schtaupsauga (Staubsauger), …
Diese Verschriftungen sind auf dem Weg zur richtigen Schreibung der Wörter ein wichtiger Schritt. Für den Lernprozess ist es zunächst sehr wichtig, dass das Kind wirklich alle Laute eines Wortes abhören kann und versucht, diese durch die dazugehörigen Buchstaben abzubilden. Gelingt ihm dies, so hat es ein solides Fundament erreicht, um seine Rechtschreibung weiterzuentwickeln.
Das Kind erkennt beim Lesen unbewusst Regelhaftes in der Schreibung von Wörtern und setzt diese beim Schreiben intuitiv um.
Beispiele:
Vater | (Das Kind schreibt das Wort mit V und nicht mit F, es schreibt die Endung –er und nicht –a wie in einer möglichen lautorientierten Schreibung: „Fata“) |
Hammer | (Das Kind hat erkannt: Nach einem kurzen Vokal folgt ein Doppelkonsonant, die Wortendung ist –er und nicht –a. Manchmal schreiben Kinder das Wort noch so: Hamma. Dann fallen sie in einem Wortteil nochmals in die lautorientierte Strategie zurück, haben jedoch die Kürze des Vokals erkannt und durch den Doppelkonsonanten gekennzeichnet.) |
Die Lehrkraft unterstützt die Kinder in dieser Phase, indem sie sie mit wichtigen orthographischen Regelungen vertraut macht. Wann ein Kind diese Regelungen in seinen eigenen Schreibungen und Texten umsetzen kann, bestimmt wiederum seine individuelle kognitive Entwicklung.
Das Kind erkennt Wortverwandtschaften, verlängert Wörter und setzt diese Kenntnisse mehr und mehr beim Schreiben um. Es sucht nach der Bedeutung der Wörter und seiner Teile und kann das Wort in seine Wortbausteine zerlegen:
Mäuse | (Das Kind hat erkannt, dass „Meuse“ von „Maus“ kommt und schreibt das Wort nun mit äu) |
Staubsauger | (Das Kind hat erkannt, dass „Staub“ von „staubig“ kommt und daher mit „b“ geschrieben wird und nicht mit „p“. In einem früheren Entwicklungsstadium hätte es das Wort noch so geschrieben: Staupsauger) |
Beim Schreiben von ganzen Sätzen und Texten versucht das Kind mehr und mehr die erworbenen Kenntnisse über die Wortarten und damit die Groß- und Kleinschreibung richtig anzuwenden:
der Kleine Hund | (Das Kind ordnet den Artikel „der“ dem Adjektiv „kleine“ zu und schreibt „Kleine“ daher groß, denn „der Kleine“ erscheint ihm für die erlernte Regel „Nomen haben einen passenden Artikel“ zutreffend zu sein. Die Fernbeziehung des Artikels „der“ zum Nomen „Hund“ im Satz muss erst noch erarbeitet werden.) |
Ebenso müssen noch Regelhaftigkeiten der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Satzgrammatik (z.B. „dass-Schreibung nach dem Komma), der Verwendungsart eines Satzes (Satzzeichen, wörtliche Rede) bewusst wahrgenommen und erlernt werden. Die wortübergreifende Strategie stellt hohe kognitive Anforderungen an den Rechtschreiblerner und ist von Grundschulkindern nur gemäß ihres individuellen Entwicklungsprofils umsetzbar.
Ein Kind muss diese Strategien in Ruhe durchlaufen und erproben können, um zu einem sicheren Rechtschreiber zu werden. Wird Kindern in ihrer individuellen Lernentwicklung Zeit gelassen, so sind sie im Verlauf der vier Grundschuljahre immer besser in der Lage,
die einzelnen Strategien einzusetzen, sie zu kombinieren und ein sicheres Rechtschreibgespür zu entwickeln. Bei den meisten Kindern wird der Prozess der Strategieentwicklung durch die Leseerfahrung ein Stück vorangetrieben. Unbewusst nehmen sie orthographische Phänomene im Gelesenen wahr und versuchen diese in ihren eigenen Schreibungen umzusetzen. Allerdings kommt es hierbei auch zu Falschschreibungen gerade weil das Kind intuitiv eine „Regel“ anwendet. Diese Fehler sind jedoch ausgesprochen fruchtbar, denn sie geben der Lehrkraft Hinweise auf den Entwicklungsstand des Kindes. Bespricht diese mit den Kindern ihre irrtümlichen Verschriftungsmuster, so wird der innere Regelbildungsprozess beim Kind nachhaltig gefördert.
Daher verzichten wir nicht darauf, Rechtschreibung systematisch zu lehren und legen unseren Schwerpunkt auf eine strategiebezogene Förderung, d.h. der schulische Unterricht muss den Kindern neben dem Freiraum zur eigenaktiven Entwicklung von Rechtschreibstrategien auch eine systematische Instruktion anbieten, die ihre Konstruktionsprozesse aktiv unterstützt und erweitert.
Es gibt Kinder, denen es nicht problemlos gelingt, die Rechtschreibung intuitiv zu erlernen. Häufig hat dies mit frühen Entwicklungsrückständen im Bereich der phonologischen Bewusstheit, mit Sprachentwicklungsverzögerungen oder Problemen beim Abspeichern von Lauten und Wortbausteinen zu tun. Diese Kinder benötigen deutlich mehr Zeit für ihre Strategieentwicklung als andere Kinder und sehr klar strukturierte Hilfen, die das bewusste Konstruieren mithilfe von Rechtschreibstrategien und Rechtschreibregeln unterstützen.
Der Rechtschreibunterricht findet an unserer Schule nicht isoliert, sondern eingebettet in die jeweiligen Unterrichtsthemen statt, welche der Lebenswelt der Kinder und ihren Interessen entstammen. Da Kinder immer dann über Rechtschreibung nachdenken, wenn sie eigene Texte schreiben, ist die Schaffung von sinnvollen Schreibsituationen im Rahmen der Unterrichtsthemen eine wichtige Grundlage für unseren Unterricht. Lesend und schreibend setzen die Kinder sich mit dem jeweiligen Unterrichtsthema auseinander
Die Lehrerin bietet den Kindern Lernwörter an, welche sich aus dem Unterrichtsthema ergeben. Diese setzen sich zusammen aus Wörtern, die in der deutschen Schriftsprache häufig verwendet werden (Strukturwörtern) und Wörtern, die Modelle sind für Rechtschreibmuster und –regelungen sein können. Sie werden jeweils aufgeteilt in Mitsprechwörter (alphabetische Strategie), Merkwörter (orthographische Strategie) und Nachdenkwörter (morphematische Strategie).
Jedem Lernwort sind Symbole = Wegezeichen zugeordnet, welche dem Kind sagen, wie das Wort geübt werden soll. Diese Wegezeichen stehen hierbei für die oben beschriebenen Rechtschreibstrategien und sind speziell für jedes Wort überlegt.
Sind die Übungen gut eingeführt, so nehmen die Kinder das Üben der Lernwörter selbstständig in die Hand:
Im 4. Schuljahr kann die Arbeit mit der Wörterklinik durch die Arbeit mit der Lernwörterkarte ersetzt werden. Der Übungsschritte bleiben hierbei gleich, die Wörter werden jedoch nicht mehr auf einzelne Karteikarten geschrieben, sondern auf der Lernwörterkarte vermerkt.
Da jedes Kind in seinen eigenen Texten Fehler macht, die typisch für sein individuelles Entwicklungsniveau sind, ist es sehr wichtig, dass das Kind nicht nur mit den Modellwörtern der Klasse, sondern auch mit seinen eigenen Lernwörtern arbeitet. So lernt das Kind, dass seine Fehlschreibungen nicht ein Makel sind, sondern ihm dabei helfen, Rechtschreibung besser zu verstehen: „Meine Fehler sind meine Freunde, denn aus ihnen kann ich lernen.“ Hierzu analysiert die Lehrkraft den vom Kind geschriebenen Text auf solche Fehler hin, deren Bearbeitung das Kind in seiner Rechtschreibentwicklung einen Schritt vorantreiben kann. Sie wählt eine überschaubare Anzahl von Fehlerwörtern aus und schreibt sie richtig unter den eigenen Text des Kindes. Gleichzeitig versieht sie jedes „eigene Lernwort“ mit dem entsprechenden Wegezeichen, das die dazugehörige Rechtschreibstrategie fördert. Das Kind erhält seinen Text zurück und arbeitet jetzt eigenständig mit Hilfe der eingeführten Übungen mit seinen eigenen Lernwörtern (Ablauf wie unter 2.1.).
Nach und nach lernen die Kinder (im 4. Schuljahr) für ihre eigenen Lernwörter die Wegezeichen selbst zu finden. So erarbeiten sie sich immer bewusster ihre Rechtschreibung.
Voraussetzung für ein solch selbstständiges Rechtschreibüben und -lernen ist eine gute Einführung der Kinder in jeden einzelnen Schritt des Umgangs mit den Lernwörtern und die konsequente Durchführung der Übungseinheiten.
Unsere Erfahrung ist, dass diese Form des strategieorientierten Rechtschreiblernens für die Kinder eine sehr wirksame Förderung darstellt.
Mit Hilfe der Wegezeichen üben sie selbstständig. Sie übernehmen Verantwortung für ihr Lernen, kontrollieren alleine oder sich gegenseitig. Stures Üben und Abarbeiten einzelner Aufgaben ist ausgeschlossen. Die Kinder sind aufgefordert nachzudenken, Wörter aufmerksam wahrzunehmen, auf Besonderheiten zu achten, Rechtschreibmuster und Rechtschreibregelungen zu entdecken und schließlich anzuwenden.
Hierdurch erleben sie eine wichtige und ermutigende Könnenserfahrung. Rechtschreibung bleibt kein Buch mit sieben Siegeln, welches man durch stures Diktatüben mit elterlicher Hilfe zu bewältigen versucht, sondern wird von den Kindern mit großer Verantwortung für das eigene Lernen selbstständig erarbeitet.
Da der individuelle Rechtschreibentwicklungsprozess des einzelnen Kindes im Mittelpunkt des schulischen Rechtschreiblernens steht, überprüfen wir diesen zweimal jährlich mit einem standardisierten Rechtschreibtest, welcher uns nicht über die Anzahl der Fehler eines Kindes Auskunft gibt, sondern über die Qualität seiner Rechtschreibfehler und damit über die Entwicklung seiner Rechtschreibstrategien. Die Ergebnisse dieses Tests geben uns Hinweise zur weiteren Förderung des einzelnen Kindes, aber auch auf die nächsten notwendigen methodischen Schritte im Rechtschreibunterricht der ganzen Klasse.
Des Weiteren zieht die Lehrkraft alle eigenen Texte des Kindes, die es selbstständig verfasst hat, kontinuierlich zur Einschätzung seiner Rechtschreibentwicklung hinzu. Auch hier erhält sie klare Hinweise auf die nächsten Impulse, die sie dem einzelnen Kind für die weitere Entwicklung seiner Rechtschreibfähigkeit geben muss.
Der Lehrplan Deutsch der Grundschule sieht für das Rechtschreiblernen wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten vor, welche ein Kind im Verlauf von vier Grundschuljahren erworben haben sollte. Diese werden gezielt im Rechtschreibunterricht unserer Schule erarbeitet, geübt und in Rahmen von Lernstandsüberprüfungen abgefragt. Hierzu gehören:
Rechtschreiblernen ist ein intuitiver, eigenaktiver Regelbildungsprozess, den alle Kinder gleichermaßen, allerdings in unterschiedlichem Tempo und unterschiedlicher Qualität durchlaufen. Wie weiter oben bereits angedeutet, kann das Rechtschreiblernen zum Beispiel Kindern Schwierigkeiten bereiten, welche bei Schulbeginn noch Probleme haben
Aufgrund unserer frühen Diagnostik setzen wir mit unseren Fördermaßnahmen bereits sehr früh im ersten Schuljahr an. Hierbei liegt unser Schwerpunkt zunächst in der intensiven Förderung der phonologischen Bewusstheit sowie des lautgetreuen Verschriftens sowohl im Klassenunterricht als auch im LRS-Förderunterricht (bis zu 2 Wochenstunden). Diese Förderung verfolgen wir zielorientiert im Verlauf der Schuleingangsphase (Klasse 1 und 2).
Erst wenn das Kind Wörter und kleine Sätze lautgetreu verschriften kann, bieten wir ihm Modellwörter zum eigenständigen Rechtschreiblernen an und schauen genau hin, was das Kind als nächstes lernen muss.
Zeigt ein Kind besondere Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechtschreibens, fördern wir es in allen Jahrgangsstufen zusätzlich zur individuellen Rechtschreibförderung im Klassenunterricht auch in Kleingruppen (LRS-Förderunterricht) außerhalb des Klassenverbandes.
Grundlage unserer individuellen Förderung ist hierbei sowohl im Klassenunterricht als auch im LRS-Förderunterricht stets folgender Dreischritt:
In einem Kompetenzraster/ Diagnosebogen halten wir den Entwicklungsstand des Kindes fest und bieten ihm speziell auf seinen Förderbedarf (in seiner individuellen Strategieentwicklung) hin zugeschnittene Übungen an. Es sind dies gezielte Übungen zur Förderung
der alphabetischen Strategie:
der orthographisch-morphematischen Strategie:
der wortübergreifenden Strategie:
In regelmäßigen Abständen überprüfen wir die Rechtschreibentwicklung des Kindes sowohl im Klassenunterricht als auch im Förderunterricht. Klassenlehrer/in und Förderlehrer/in tauschen ihre Ergebnisse aus und legen die weiteren Schritte zur Förderung des Kindes fest.
Unser Rechtschreibunterricht ist nach den aktuellen Erkenntnissen der Schriftspracherwerbsforschung ausgerichtet und strebt zielorientiert das Erreichen der verbindlichen Anforderungen des Lehrplanes Deutsch im Rechtschreiben für die Grundschule an. Diese sind auf einem mittleren Anforderungsniveau formuliert. Die Richtlinien für die Grundschule verpflichten die Grundschullehrkräfte hierbei, lernschwächere Schülerinnen und Schüler möglichst weit in ihrem Erwerbsprozess an diese verbindlichen Anforderungen heranzuführen und lernstärkeren Kindern die Möglichkeit zu geben, diese zu überschreiten. Dies bestätigt uns in unserem Bemühen, jedes Kind gemäß seines eigenen Entwicklungsprozesses im Rechtschreiblernen genau wahrzunehmen und eine Passung hierzu in seiner individuellen Rechtschreibförderung herzustellen.
Da Rechtschreiblernen ein kognitiver Entwicklungsprozess ist, welcher bei jedem Kind individuell verläuft, sollte dieser ebenfalls auf der weiterführenden Schule so wahrgenommen werden und die individuelle Lernausgangslage und Förderung des Rechtschreiblernens oberste Priorität haben.
Literatur: